Steht für die Gerechtigkeit oder das Rechtswesen: die Justitia.
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Kirchenrecht
Kirchenverfassung und Staatskirchenrecht
Die Kirchenverfassung ist Teil der gesamten kirchlichen Rechtsordnung. Sie hat die Aufgabe, den Aufbau und die Organisationsstruktur der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern zu regeln. Sie ist an Schrift und Bekenntnis gebunden und hat dienende Funktion: Sie soll den rechtlichen Grund dafür legen, dass der Auftrag der Kirche in dieser Zeit möglichst gut erfüllt wird.
Als Grundordnung gibt sie neben dem Selbstverständnis und dem Bekenntnisstand Regelungen an über das Gebiet und die Rechtsstellung der Kirche, die Kirchenmitgliedschaft, das geistliche Amt, die Kirchengemeinde und den weiteren organisatorischen Aufbau, die gesamtkirchlichen Leitungsorgane, die kirchliche Gesetzgebung, das kirchliche Finanzwesen, den kirchlichen Rechtsschutz. Sie beschränkt sich dabei auf die wesentlichen Grundaussagen und überlässt die Entfaltung den entsprechenden Einzelgesetzen und Verordnungen.
Verfassungsänderung
Eine bedeutende Änderung der Kirchenverfassung wurde von der Landessynode im Frühjahr 2017 beschlossen. Der dritte Absatz des Grundartikels wurde neu gefasst und dabei um die Barmer Theologische Erklärung ergänzt: "Mit den christlichen Kirchen in der Welt bekennt sie ihren Glauben an den Dreieinigen Gott in den altkirchlichen Glaubensbekenntnissen. Sie hält sich in Lehre und Leben an das evangelisch-lutherische Bekenntnis, wie es insbesondere in der Augsburgischen Konfession von 1530 und im Kleinen Katechismus D. Martin Luthers ausgesprochen worden ist. Damit bezeugt sie die Rechtfertigung des sündigen Menschen durch den Glauben um Christi willen als die Mitte des Evangeliums. In der Barmer Theologischen Erklärung von 1934 weiß sie die befreiende und verbindliche Kraft des Evangeliums Jesu Christi aufs Neue bekannt."
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Derzeit gilt die Kirchenverfassung von 1971 in einer Neufassung von 1999. Die Verfassung wurde in der Synodalperiode 1966/72 in einem mehrjährigen Prozess auf breiter Grundlage erarbeitet. Wesentliche Teile waren Gegenstand der synodalen Beratungen und Beschlüsse. Auch die kirchliche Öffentlichkeit war einbezogen: Es gab ein Anhörungsverfahren auf der Landessynodaltagung 1970, bei der einzelne Kirchenmitglieder oder ganze Vereinigungen zum Entwurf Stellung nehmen konnten. So konnten 1971 weitgehend fertige und zum Teil sogar erprobte Teile in den endgültigen Entwurf eingebracht werden.
Staat und Kirche
Grundlegend für das heutige Verhältnis von Kirche und Staat: Sie stehen sich als voneinander unabhängige, aber gleichberechtigte Partner gegenüber.
Staatskirchenrecht hat zu tun mit den rechtlichen Beziehungen zwischen dem Staat und den in seinem Gebiet tätigen Religionsgemeinschaften. Es sind im Wesentlichen folgende Grundsätze, die unser staatskirchliches System bestimmen: die Religionsfreiheit, die grundsätzliche Trennung von Staat und Kirche, das Selbstbestimmungsrecht der Kirchen, der Körperschaftsstatus sowie Staatskirchenverträge. Diese Grundsätze sind im Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland in Artikel 4 und Artikel 140 niedergelegt.
Hans-Peter Hübner
Verfassung der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern
1971 beschloss die Evangelisch-Lutherische Kirche ihre aktuelle Verfassung, die heute in der Neufassung aus dem Jahre 1999 fortgilt. Sie dient dem Zweck, den kirchlichen Auftrag in der aktuellen Welt möglichst gut zur Geltung zu bringen. Der Kommentar ist eine systematisch überzeugende, klar verständliche Erläuterung der Verfassung.
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C.H.BECK. ISBN 978-3-406-78024-0
Die Staatskirchenverträge wurden mit dem Staat Bayern geschlossen. Derzeit gelten für Evangelisch-Lutherische Kirche in Bayern das „Bayerische Konkordat“ vom 29. März 1924 sowie der „Vertrag zwischen dem Bayerischen Staate und der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern rechts des Rheins“ vom 15. November 1924. Die darin geltenden Vereinbarungen gehen auf die Enteignung und Säkularisierung kirchlicher Güter durch den so genannten Reichsdeputationshauptschluss von 1803 zurück. Die Verpflichtung der damaligen Landesherren, die Besoldung und Versorgung etlicher katholischer und evangelischer Würdenträger sicherzustellen, gilt im Grundsatz bis heute. Im Staatshaushalt werden dafür Zuschüsse für die Besoldung Seelsorgegeistlicher, Zuschüsse für die Ruhestands- und Hinterbliebenenversorgung der Seelsorgegeistlichen, Zuschüsse zu Personalaufwand und Sachkosten der Kirchenleitung sowie Leistungen an Pfarrer, Prediger und Vikare ausgewiesen.
Neben diesen Staatskirchenverträgen gibt es Überschneidungen staatlicher und kirchlicher Aufgaben, bei der weder Staat noch Kirche alleine tätig werden können und die Regelungen bedürfen: beispielsweise in der so genannten Anstaltsseelsorge, in Krankenhäusern, Altenheimen, Pflegeheimen, Gefängnissen, in der der Staat Träger der Anstalten ist und die Religionsfreiheit und Religionsausübung gewährleistet; beispielsweise in der Militärseelsorge, dem Religionsunterricht, den Theologischen Fakultäten, den kommunalen Friedhöfen und der Kirchensteuer. Hier gibt es Vereinbarungen zwischen Staat und Kirche, die auch die Kostenübernahmen regeln.
Durch Vereinbarungen mit den Kirchen zeigt der Staat, dass er deren Relevanz für Land und Menschen schätzt und deshalb finanziell unterstützt; dass es ein flächendeckendes Netz an Kirchengemeinden und entsprechende Seelsorge gibt – auch jenseits von Kirchengemeinden in Kliniken und Seniorenheimen, für Menschen mit Behinderungen; dass Kirche gerade in den ländlichen Räumen Gesellschaft und Miteinander maßgeblich prägt und am Leben erhält; dass Kirche ein bedeutender Kulturträger ist; dass Kirche sich im gesellschaftlichen Dialog für Glauben und christliche Ethik einsetzt; dies ist für Staat und Gemeinwesen ein wertvolles und unverzichtbares Element eigener Zukunftsfähigkeit.
Das Video erklärt kurz und knapp, was es mit den Zahlungen vom Staat an die Kirchen auf sich hat.
Diskussion um die Ablöse der sogenannten Staatsleistungen
Der Freistaat Bayern gewährt der bayerischen Landeskirche derzeit folgende dauernde Leistungen: Staatsleistungen für Zwecke der Kirchenleitung, Leistungen zur Unterstützung der Besoldung und Versorgung der (Seelsorge-)Geistlichen sowie gewährte Zuschüsse beispielsweise zur Ausbildung. Auch hat der Freistaat konkrete Bauunterhaltsverpflichtungen an einer Vielzahl von individuell identifizierten Pfarr- und Kirchengebäuden.
Die Staatsleistungen umfassen nicht Leistungen aus Austauschbeziehungen (z. B. die Vergütungen für die Erbringung von Religionsunterricht), die Erstattung von Kosten aus der Erbringung von Aufgaben der Daseinsvorsorge (z. B. Betrieb von Kindergärten, Pflegeinrichtungen etc.) oder Zuschüsse zur Förderung konkreter Zwecke (z. B. Kirchentage). Hier gilt: Weil die Kirchen anstelle des Staates Aufgaben für das Gemeinwohl übernehmen, haben sie auch Anspruch auf finanzielle Unterstützung für diese Aufgaben.
Die Bundesregierung möchte die Beziehungen zwischen Kirchen und säkularem Staat weiter entflechten und hat das Vorhaben im Koalitionsvertrag verankert. Für die rechtssichere Ablösung der Staatsleistungen durch die Länder muss in einem ersten Schritt ein Grundsätzegesetz des Bundes beschlossen werden, das die Grundsätze der Ablösung durch die Länder regelt. Die genaue Ausgestaltung der Ablösung ist dann durch die Bundesländer zu regeln. Die Evangelisch-Lutherische Kirche in Bayern ist selbstverständlich bereit, sich an Gesprächen zur Ablösung der Staatsleistungen zu beteiligen.
03.09.2024
Andrea Seidel
Literaturtipp
Hans-Peter Hübner
Evangelisches Kirchenrecht in Bayern
25 Jahre nach der Erstausgabe erscheint die vollständig überarbeitete Neuausgabe des Standardwerkes zum Evangelischen Kirchenrecht in Bayern. Es stellt nicht nur die allgemeinen Grundsätze des Rechts in der Kirche heraus, sondern analysiert auch die Probleme diverser Einzelregelungen. Ein unverzichtbares Kompendium für Studierende, Pfarrerinnen und Pfarrer, Mitarbeitende in der kirchlichen Verwaltung sowie Mitglieder von kirchlichen Leitungsorganen.