Die Landeskirche zukunftsfähig auftzstellen - darum geht es in den Strukturreformen der ELKB
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Strukturreformen in der ELKB
Kirche verändert sich
Die ELKB will ihre Struktur zukunftsfest machen. Wegen sinkender Mitgliederzahlen und knapper Kassen muss die Kirche schlanker werden. Von einstmals 66 Dekanatsbezirken sollen deshalb bis 2032 noch 44 übrig bleiben, die Zahl der sechs Kirchenkreise soll auf vier sinken. Überall sind schon die ersten Schritte gemacht. Oberkirchenrat Florian Baier leitet die Abteilung „Gemeinden, Kirchensteuer und Kirchenverfassung“ und erläutert, ob diese Schritte ausreichen und wo es noch hakt.
Was ist ein Dekanatsbezirk und wie viele davon gibt es noch?
Die Dekanatsbezirke bilden in der bayerischen Landeskirche die sogenannte mittlere Ebene. Sie sind einerseits Aufsichts- und Verwaltungsbezirk und stehen damit zwischen den Kirchengemeinden und der Landeskirche. Die Dekanin oder der Dekan ist damit dienstvorgesetzte Person der Pfarrerinnen und Pfarrer. Hierher gehört auch die Umsetzung des Landesstellenplans - also die Verteilung des Personals in der Region. Andererseits fördern sie die Zusammenarbeit zwischen Kirchengemeinden, Einrichtungen und Diensten in ihrem regionalen Verantwortungsbereich. Die Größe der Dekanatsbezirke variiert stark - von unter 10.000 Gemeindegliedern bis an die 200.000. Bis Juni 2024 gab es bayernweit 65 Dekanatsbezirke, zum 1. Juli werden es noch 63 sein. Die Dekanatsbezirke sind als Körperschaften des öffentlichen Rechts organisiert, erläutert Oberkirchenrat Baier.
Wo sind aktuell Fusionen geplant oder bereits im Gang?
Im Kirchenkreis Regensburg haben sich zum 1. Juli die Dekanatsbezirke Cham, Sulzbach-Rosenberg und Weiden zusammengetan. Den Vereinigungen der Dekanatsbezirke Heidenheim und Gunzenhausen, der Bildung des Dekanatsbezirkes Donau-Ries aus den drei Dekanaten Donauwörth, Nördlingen und Oettingen sowie der Vereinigung der Dekanatsbezirke Bayreuth-Bad Berneck und Pegnitz zum 1. Januar kommenden Jahres hat die Kirchenleitung ebenfalls bereits zugestimmt. In den Kirchenkreisen Bayreuth und Ansbach-Würzburg wird vor Ort mit großem Engagement über weitere Fusionen beraten. Im Gespräch ist etwa eine Zusammenarbeit der Dekanatsbezirke Forchheim und Gräfenberg sowie der Dekanatsbezirke Castell und Markt Einersheim. Gerade im Fall Castell/Markt Einersheim gibt es in der Kirchenleitung Zweifel, ob dadurch eine ausreichend zukunftsfähige Struktur entsteht, erläuterte Baier. Dort brauche es noch „weitere Überlegungen“.
Wie funktioniert das ganze Vorgehen kirchenrechtlich?
Dafür gibt es verschiedene Möglichkeiten. In allen aktuellen Fällen ging der erste Impuls zur Zusammenarbeit von den beteiligten Dekanatsbezirken selbst aus. Die Dekanatsbezirke müssen eine Vereinbarung schließen, in der die Details der „Fusion“ geregelt sind. Anschließend muss das Benehmen aller Beteiligten - also auch aller Kirchengemeinden - hergestellt werden. Das Landeskirchenamt prüft anschließend alle Unterlagen. Ist alles in Ordnung, müssen noch der Landeskirchenrat und der Landessynodalausschuss als kirchenleitende Gremien dem geplanten Zusammenschluss zustimmen. „Damit wird die kirchenrechtliche Dimension auch noch einmal deutlich“, sagt Baier: Die „Fusion“ von Dekanatsbezirken unterliege einem „Genehmigungsvorbehalt“ durch die Kirchenleitung. Weil Dekanatsbezirke Körperschaften sind, ist außerdem das Kultusministerium mit im Boot: Es muss die neu gebildeten Körperschaften anerkennen. Das dauert derzeit sechs Monate.
Ist die Kirchenleitung zufrieden mit den aktuellen Strukturveränderungen?
„Die Geschwindigkeit und die Bereitschaft der Dekanatsbezirke in diesem Veränderungsprozess ist wirklich sehr erfreulich“, sagt Baier. Die Kirchenleitung sei sehr dankbar, dass sich so viele Haupt- und Ehrenamtliche in diesen Veränderungsprozessen engagieren. Allerdings müsse man bei „der Frage der Zukunftsfähigkeit“ noch nachsteuern. Das Problem: Außer dem Ziel, die Zahl der Dekanatsbezirke um ein Drittel auf 44 zu reduzieren, gibt es für den Prozess kaum Leitplanken. In der Praxis zeigt sich, dass in manchen Regionen neue Strukturen oft noch zu klein gedacht werden: „Wir wollen vermeiden, dass sich die Haupt- und Ehrenamtlichen in Dauer-Strukturreformen befinden, die viel Zeit und Kraft kosten. Solche Prozesse kann man nicht alle vier, fünf Jahre starten.“ Man brauche „zukunftsfähige Einheiten“, die mindestens 10, besser 15 Jahre Bestand haben. Dann habe man mehr Energie für die eigentlichen Aufgaben als Kirche, nämlich nah bei den Menschen zu sein.
Gibt es sinnvolle Unter- oder auch Obergrenzen für die Größe fusionierter Dekanate?
Laut Kirchenrecht müssen bei der Vereinigung von Dekanatsbezirken die Struktur des Gebietes, die Zahl der Kirchengemeinden, die Zahl der kirchlichen Mitarbeitenden und der Kirchenglieder und besondere kirchliche Verhältnisse der Region berücksichtigt werden. „Konkrete Mindest- oder Höchstgrenzen wurden bislang noch nicht verbindlich fixiert“, sagt Kirchenjurist Baier: „Die Landesstellenplanung gibt hier sehr gute Anhaltspunkte.“ Die Ansprüche an die mittlere Ebene steigen, die Leitungsaufgaben der Dekaninnen und Dekane nehmen zu: „Daher gilt, dass der Leitungsanteil an einer Vollzeitstelle bei Neubesetzungen die 75-Prozent-Marke nicht unterschreiten soll.“ Ein solcher Leitungsanteil sei aber mit Blick auf die Landesstellenplanung nur gegeben, wenn ein Dekanatsbezirk um die 30.000 bis 40.000 Gemeindeglieder habe. „In Einzelfällen mag es auch mal eine sinnvolle Einheit unter dieser Größenordnung geben, die Regel allerdings wird es nicht sein“, sagt Baier. Obergrenzen gebe es bislang keine, „aber auch hier werden wir Leitplanken brauchen“.
Gibt es auch Reformbedarf unterhalb der Dekanatsebene?
Auch auf der Ebene der Kirchengemeinden sieht Baier Reformbedarf. Dabei geht es weniger um die Fusion von Ortsgemeinden - sondern eher um die Frage der Rechtsform. „Kirchengemeinden sind für die Gestaltung des kirchlichen Lebens vor Ort von großer Bedeutung. Auch jede Kirchengemeinde ist eine Körperschaft des öffentlichen Rechts“, sagt er. Das hat nicht nur Vorteile, sondern eben auch Nachteile, weil damit auch viele Pflichten verbunden sind, die die Kirchenvorstände und pfarramtlichen Geschäftsführungen zunehmend an die Grenze des Leistbaren bringen. Zwar hätten sich schon viele Gemeinden zu Pfarreien zusammengeschlossen, rechtlich eigenständig seien sie aber weiterhin: „Die Frage ist, wie wir die inhaltliche Arbeit vor Ort stärken und die mit dem Körperschaftsstatus zusammenhängenden Verwaltungsaufgaben verlagern können.“ Man wolle deshalb die Möglichkeiten zentraler Pfarrämter und von Gesamtkirchengemeinden genauer überprüfen.
Wie steht es um die Zusammenlegeung von sechs auf vier Kirchenkreise?
Anders als Dekanatsbezirke sind die Kirchenkreise keine Körperschaften des öffentlichen Rechts - und auch in der Kirchenverfassung gibt es für eine etwaige Neuordnung kein festgeschriebenes Verfahren. „Die rechtliche und die gefühlte Bedeutung von Kirchenkreisen liegen weit auseinander“, erläutert Baier. Mancherorts sei die Identifikation mit der Zugehörigkeit zu einem Kirchenkreis stark ausgeprägt - gleichwohl hatten Kirchenkreise nie die Aufgabe eines „regionalen Vertretungsorgans“, betont er: „Ihr kirchenverfassungsrechtlicher Sinn liegt vor allem darin, dass die sonst nur in München verortete Kirchenleitung in der Fläche Bayerns präsent bleibt.“ Sinkt die Zahl der Mitglieder, dürften Strukturveränderungen nicht auf der Ebene von Kirchengemeinden und Dekanatsbezirken stehen bleiben. Auch Kirchenleitung leiste einen Beitrag. Aus den südlichen Kirchenkreisen Augsburg, München und Regensburg sollen künftig zwei Kirchenkreise werden. Eine ähnliche Entwicklung wird es auch in Nordbayern mit den drei Kirchenkreisen Ansbach-Würzburg, Nürnberg und Bayreuth geben.
Dr. Florian Baier
Oberkirchenrat Florian Baier leitet die Abteilung „Gemeinden, Kirchensteuer und Kirchenverfassung“ im Landeskirchenamt.
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01.07.2024
Daniel Staffen-Quandt (epd)